Hilfe für die «Phantomkinder» von Aleppo

Im verwüsteten Osten der einstigen syrischen Handelsmetropole, wo bis Ende 2016 die IS-Kämpfer gewütet haben, leben zwischen 3000 und 5000 Kinder ohne anerkannte Identität. Sie können keine Schulen besuchen und erhalten keinen Zugang zur öffentlichen Grundversorgung. Der Franziskanerpater Firas Lutfi hat mit Unterstützung von Bischof und Grossmufti das Projekt «Ein Name – eine Zukunft» initiiert, das Hoffnung schenkt. Dieses Projekt lanciert der Schweizerische Heiligland-Verein in den nächsten Wochen als seine Herbstaktion 2019.

 

Pater Firas Lutfi schenkt Kindern und ihren Mütter mit seinem Projekt „Ein Name – eine Zukunft“ neue Hoffnung.

 

Während vier Jahren verlief eine Frontlinie des Syrien-Krieges mitten durch die einst blühende Stadt Aleppo. Als die Dschihadisten im Dezember 2016 aus Aleppos Osten vertrieben wurden, liessen sie eine zu 70 Prozent zerstörte Stadt zurück – und zahllose Kinder und Frauen. Viele der fast 5000 Kinder im Alter von drei bis acht Jahren stammen aus Beziehungen zwischen IS-Kämpfern und syrischen Frauen, oft wurden sie nach Vergewaltigungen oder Missbrauch geboren. Diese Kinder und Frauen wurden wegen ihrer Verbindung zur Miliz sich selbst überlassen.

Ohne Registrierung kein Zugang zur Grundversorgung

Eine entscheidende erste Hilfe für die «Kinder ohne Namen» ist ihre Anmeldung bei den Behörden. Der Franziskanerpater Firas Lutfi hat deshalb das Hilfsprojekt «Ein Name – eine Zukunft» ins Leben gerufen. Bereits konnten rund 100 Kinder offiziell registriert und ihnen damit zu einer Identität verholfen werden. Der Prozess verlangt viel Geduld, weil das islamische Recht keine Adoption kennt und die Kinder deshalb nur unter Ausnahmebedingungen von muslimischen Familien «angenommen» werden dürfen.

Es gibt Kinder, die noch gar nie eine Schule besucht haben. In bestimmten Gegenden gab es nur den Koran – keine Mathematik, keinen Geschichtsunterricht, keine Geographie oder Kunsterziehung. «Deswegen versuchen wir nun in speziellen Kursen, für diese Kinder die Bildungslücken zu schliessen», sagt Pater Firas, «wir unterstützen auch Kinder und Jugendliche, die schwere körperliche Arbeit verrichten müssen oder unter Gewalt leiden. Wir bieten Physiotherapie für Menschen mit Beeinträchtigungen. Und wir arbeiten mit Psychologinnen und Psychotherapeutinnen zusammen».

Bischof und Grossmufti stehen gemeinsam dahinter

Die Initiative von Pater Firas kam dank der freundschaftlichen Beziehung zwischen dem Bischof von Aleppo, Monsignore Georges Abou Khazen, und Aleppos Grossmufti, Mahmoud Akkam, zustande. «Das Ziel unseres Projektes,» berichtet der Bischof, «ist das Vertrauen der Kinder in die Zukunft wiederherzustellen. Einige Kinder, die ich kennengelernt habe, waren so traumatisiert, dass sie nicht sprechen konnten. Nachdem wir sie in unserem Zentrum willkommen geheissen haben, haben sie das Vertrauen ins Leben zurückgewonnen, ihr Blick hat sich verändert, das Lächeln ist in ihre Gesichter zurückgekehrt.»

Es wird Jahre dauern, die Traumata zu überwinden

«Die Mütter und Kinder haben Angst vor uns, Angst vor dem anderen. Ihr Leben wurde über Jahre geprägt von Missbrauch, Gewalt und Isolation. Glücklicherweise erleben wir immer wieder Erfolgsgeschichten von Kindern, die die Traumata langsam überwinden“, sagt Pater Firas Lutfi. «Es wird Jahre dauern, aber wir können nicht, wir dürfen nicht aufhören».

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