Der Mönchsvater Antonios und der Patriarch Athanasios von Alexandrien
Das Antoniuskloster (Deir al-Anba-Antunius) liegt in den Bergen der östlichen Wüste Ägyptens, 30 km vom Roten Meer. Es ist auf 350 m über Meer am Fusse des Berges Qolzoum, von dem man auf 1000 m einen wunderbaren Ausblick auf das Rote Meer und den Sinai hat. Das benachbarte Pauluskloster (Deir al-Anba-Pola) liegt in südöstlicher Richtung in 25 km Luftlinie, doch hinter einem unwegsamen bergigen Gebiet.
305 verliess Antonios seine erste Einsiedelei in Pispir in der Nähe von Beni Suef und zog sich vor den immer zahlreicher werdenden Besuchern zurück in die «innere Wüste». Er zog in eine Grotte nahe einer Quelle am Fusse des Berges Qolzoum. Bald folgten ihm Schüler und liessen sich bei ihm in halbanachoretischer Weise in einer Laura nieder. Die Mönche leben jeder in seiner Einsiedelei und versammeln sich am Sonntag, um die Gottesdienste zu feiern und zusammen zu essen.
Athanasios wird Schüler von Antonios
Dort lernte ihn Athanasios kennen, als er mehrere Jahre als Schüler bei Antonios lebte. Athanasios wurde 296, 298 oder 300 in eine christliche Familie in Alexandrien geboren und genoss eine breite philosophische und theologische Bildung. Schon früh wurde er vom noch jungen Mönchtum angezogen und übte sich selbst in Askese. Von den Mönchen lernte er Selbstdisziplin und eine Enthaltsamkeit, für die er sogar von seinen Feinden geachtet wurde. In jungen Jahren kam er in den Haushalt des Patriarchen Alexander von Alexandria und nach seiner Rückkehr aus der Wüste wurde er mit 23 Jahren dessen Sekretär.
Mit seinem Bischof Alexander nahm er 325 am Konzil in Nizäa als Diakon teil und wurde am 8. Juni 328 dessen Nachfolger. Mehrere Jahre machte er Pastoralbesuche in den Mönchsgemeinschaften in ganz Ägypten. Dabei versicherte er sich auch, dass die Mönche das in Nizäa beschlossene Glaubensbekenntnis kennenlernten und die Gefahr der abweichenden Aussagen der Arianer verstanden.
Arius droht die Kirche zu spalten
Arius, geboren um 260 im heutigen Libyen, war Pfarrer des Alexandriner Vorortes Boukolou. Er war ein guter Prediger und verfasste Liedtexte zu bekannten Seemannsliedern. Wie andere Stadtpfarrer verstand er sich in der akademischen Tradition der Alexandriner Katechetenschule und scharte zahlreiche Anhänger um sich. Seine neuplatonische Ausdrucksweise, dass Jesus Christus zwar das göttliche Wort sei, aber als Sohn nur geschaffen sei, wurde von Bischof Alexander sanktioniert.
Das sich anbahnende Schisma drohte die noch junge Kirche nicht nur in Ägypten, sondern im ganzen römischen Reich zu spalten. Nach Jahrzehnten blutiger Verfolgung war das Christentum erst 313 im Edikt von Mailand toleriert worden, und Kaiser Konstantin förderte es als einigende Religion des Reiches. Die Auseinander-setzungen um die Stellung Jesu Christi zu Gott dem Vater waren 325 einer der Hauptgründe für seine Einberufung des ersten Konzils für die ganze bewohnte Erde, da die lokalen Synoden keine Einigung gebracht hatten.
Die Lehren von Arius wurden auf dem Konzil als häretisch erklärt und er selber verbannt. Er fand jedoch bei Eusebius von Nikomedien, der später Patriarch von Konstantinopel wurde, Unterstützung. Arius unterschrieb drei Jahre nach dem Konzil ein Bekenntnis zur Theologie von Nizäa, und Athanasios, erst vor kurzem Bischof von Alexandrien geworden, erlaubte seine Rückkehr, doch er starb vorher.
Wirren im Streit um den Arianismus
Die Parteigänger von Arius genossen jedoch grossen Einfluss am kaiserlichen Hof. Auch in der ägyptischen Kirche vertraten viele Bischöfe, Priester und Mönche arianische Ideen. Sie kritisierten Unregelmässigkeiten bei der Wahl von Athanasios zum Patriarchen und dass er mit knapp 30 Jahren noch zu jung war. Sie warfen ihm auch harsches Vorgehen gegen Gegner in der Kirche vor. 335 wurde Athanasios auf der Synode von Tyrus abgesetzt und nach Trier verbannt. Nach dem Tod Konstantins hob sein Sohn Konstantin II. im Mai 337 die Verbannung auf, und Athanasios konnte den Patriarchenstuhl in Alexandrien wieder in Besitz nehmen.
Antonios hörte davon, dass die Arianer die Lüge ausstreuten, er denke wie sie. Er wurde von den Bischöfen gerufen und kam vom Berg herunter nach Alexandrien und verdammte die Arianer. «Er belehrte das Volk, der Sohn Gottes sei kein Geschöpf, noch sei er aus dem Nichtseienden geworden, sondern das Wort und die Weisheit seien ewig vom Wesen des Vaters.»
Nach Unruhen in Alexandrien wurde Athanasios 339 vom oströmischen Kaiser Constantius II. verbannt. Er verbrachte die nächsten sieben Jahre in Rom und Aquileia und knüpfte gute Beziehungen zu Papst Julius I. und zum römischen Klerus. Athanasios führte sein asketisches Leben fort und berichtete den Interessierten wie der Römerin Marcella von Antonios und den Gemeinschaftsklöstern des Pachomius in Oberägypten.
Athanasios wurde 341 zusammen mit Bischof Markell von einer römischen Synode rehabilitiert. Dies führte auf der Reichssynode von Serdica dazu, dass sich die westlichen und die östlichen Kirchenvertreter an verschiedenen Orten versammelten. Die von den beiden Kaisern Constans und Constantius II. geplante Einigung zur Überwindung der arianischen Krise misslang. Constans drängte seinen Bruder Constantius II. jedoch dazu, Athanasios nach Alexandrien zurückkehren zu lassen. Im Herbst 346 traf er schliesslich ein und übernahm wieder den Bischofsstuhl.
Constans wurde 350 ermordet. Constantius II. drückte auf der Synode von Mailand 355 durch, dass Athanasios, der Störenfried, der sich allen theologischen Kompromissen bei der Bekenntnis-Formel energisch widersetzte, verurteilt wurde. Athanasios floh
356 in den Untergrund und versteckte sich bei den Wüstenmönchen in Oberägypten.
Athanasios verfasst die Vita Antonii
In dieser dritten Verbannungszeit verfasste Athanasios mehrere theologische Werke und insbesondere auch die Lebensbeschreibung des Mönchsvaters Antonios, der 356 mit 105 Jahren im Kreise seiner Mönchsschüler in den Bergen am Roten Meer gestorben war.
Athanasios verfasste 357 auf Griechisch die Vita Antonii, um den Mönchen im Westen, über «den Lebenswandel des seligen Antonios, wie er mit der Askese anfing, wie er vor ihr gewesen ist und welches sein Lebensende war» zu berichten. Der antiochenische Presbyter Evagrius übersetzte sie ins Lateinische, wahrscheinlich in Rom, wo er bei seinem Freund Hieronymus lebte. Augustinus von Hippo wurde durch die Lektüre der Lebensbeschreibung des Antonios zu seiner Bekehrung angeregt. Bald gab es auch Übersetzungen ins Koptische, Syrische, Armenische und Georgische. Die Antonios-Vita hatte einen grossen Einfluss auf die Entwicklung von Klöstern im Westen und im Osten des Reiches.
Antonios wurde 251 als Sohn einer christlichen Freibauernfamilie in Mittelägypten geboren. Sie bewirtschafteten rund 60 Hektaren Land. Als er 18 oder 20 Jahre alt war, starben seine Eltern. Antonios kümmerte sich um den Hof und seine kleinere Schwester. Sechs Monate nach dem Tod der Eltern hörte er in der Kirche das Wort aus dem Evangelium: «Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben; dann komm und folge mir nach.» (Mt 19,21)
Antonios schenkte sein Land den Einwohnern seines Dorfes und verkaufte seine Besitztümer. Seine Schwester brachte er bei einer Gemeinschaft von Jungfrauen unter. Er zog sich 275 in eine Hütte am Randes des Dorfes zurück. Dann zog er weiter in eine Grabkammer. Immer mehr Leute kamen zu ihm, um Rat zu suchen oder sich heilen zu lassen. Jünger wollten von ihm das asketische Leben lernen und liessen sich in seiner Nähe nieder.
Schliesslich zog sich Antonios 305 in die innere Wüste in den Bergen am Roten Meer zurück. Doch auch dorthin folgten ihm seine Schüler und bildeten eine lockere Eremitengemeinschaft. Er verliess die Grotte in der Nähe der Quelle und blieb während der Woche in einer Höhle am Berg eine knappe Stunde über dem Kloster.
311 verfolgte Maximinus Daja Christen und liess sie nach Alexandrien bringen. Antonios ging nach Alexandrien, um die Glaubensschwestern und -brüder zu bestärken und vielleicht selber das Martyrium zu erlangen. Er besuchte die Bekenner in den Bergwerken und Gefängnissen. Der Richter befahl, dass kein Mönch vor Gericht erscheinen dürfe und in der Stadt bleiben dürfe. Doch Antonios wusch sein Obergewand und stellte sich an einen erhöhten Platz, gut sichtbar für den Vorsitzenden. Doch ihm war
ein anderes Zeugnis vorbestimmt, und so kehrte er zu seinen Schülern ins Kloster zurück.
Die beiden Mönchsväter Antonios und Paulus von Theben
Mit 90 Jahren, so schreibt Hieronymus in seiner Vita des Paulus von Theben, habe Antonios im Traum den Eremiten Paulus gesehen,
der seit über fünfzig Jahren in der Wüste lebte und ein viel tugendhafterer Mönch als Antonios sei; er solle ihn besuchen. Er machte sich auf und fand Paulus am dritten Tag in dessen Höhle. An diesem Tag soll der Rabe, der Paulus jeden Tag ein halbes Brot brachte, ein ganzes gebracht haben. Sie teilten es, indem jeder seine Hälfte ergriff und sie es so brachen.
Nach einer Nacht des gemeinsamen Lobopfers eröffnete der 113-jährige Paulus dem Mönchsvater Antonios, dass er schon lange gewusst habe, dass er in der Gegend wohne. Antonios sei von Gott gesandt worden, um seinen armseligen Leib mit Erde zu bedecken. Paulus bat Antonios, er solle den Mantel holen, den Athanasios ihm gegeben hatte, um ihn darin zu begraben.
Ohne seinen Jüngern Antwort zu geben, holte Antonios den Mantel aus seiner Zelle und machte sich sofort auf den Rückweg. Noch drei Stunden entfernt von der Höhle des Paulus habe er ihn von Engeln getragen in den Himmel steigen sehen. Er fand Paulus auf Knien aufrecht im Gebet. Er legte ihm den Mantel des Athanasios an und suchte nach einer Möglichkeit, Paulus zu begraben. Zwei Löwen kamen aus der Wüste und brüllten ihre Trauer heraus. Dann scharrten sie den Boden auf und hoben eine Grube aus. In diese legte Antonios den Leichnam von Paulus und bedeckte ihn mit Erde. Die Tunika aus Palmwedeln des Paulus nahm er zurück ins Kloster und zog sie jeweils zum Oster- und zum Pfingstfest an.
Hieronymus – Biograph von Paulus von Theben und Bibelübersetzer
Hieronymus schrieb die Vita Paulii neben anderen Heiligen-berichten in seinen frühen Jahren um 376. Er wurde 348/349 in Stridon/Dalmatien geboren. Nach Studien in Rom lebte er drei Jahre als Asket in Syrien, kehrte dann nach Rom zurück und wurde Sekretär und Archivar von Papst Damasus I. In seinem Auftrag begann er mit der Neuübersetzung der Bibel ins Lateinische, der später massgeblich werdenden Vulgata. Mit einer Gruppe von Mönchen sowie der römischen Aristokratin Paula und ihrer Tochter Eustochium unternahm er eine Pilgerreise nach Palästina und zu den Klöstern Ägyptens. Danach gründete er mit der Unterstützung von Paula die Klosteranlage in Bethlehem. Hieronymus widmete sich dem Bibelstudium in verschiedenen Sprachen und schrieb mehrere Kommentare zu biblischen Büchern. 420 starb er in Bethlehem.
Die Grotte des Mönchsvaters Antonios
Mit 105 Jahren starb Antonios 356 umgeben von seinen Mönchsschülern. Über seiner Grotte nahe der Kloster-Quelle wurde die erste Kirche des Klosters errichtet. Auf dem Eingangsbogen wurden Wandmalereien aus dem sechsten Jahrhundert freigelegt. Die Wände der Antonios-Kirche sind mit eindrücklichen Wandmalereien ausgeschmückt, die von Theodor und seinen Schülern 1232-1233 ausgeführt wurden und 1996-1999 freigelegt wurden, nachdem sie Jahrhunderte lange unter Putzschichten verborgen waren.
Die Hauptkirche des Paulusklosters wurde über der Höhle von Paulus von Theben errichtet. Dieses Kloster wurde zeitweise vom Antoniuskloster aus betreut. Es wurde nicht durchgehend von Mönchen bewohnt wie das Antoniuskloster. Heute leben in beiden Klöstern je über hundert Mönche.
Athanasios konnte 362 nach Alexandrien zurückkehren. Doch wenige Monate später änderte der heidnische Kaiser Julian seine Politik und Athanasios musste wieder fliehen. Im Juni 363 starb Kaiser Julian. Ein letztes Mal wurde Athanasios unter dem oströmischen Kaiser Valens von 365 bis 366 aus Alexandrien verbannt. Am 2. Mai 373 starb Athanasios in Alexandrien.
Athanasios – 20. Patriarch von Alexandrien und Papst der Kopten
Athanasios wird als 20. Patriarch von Alexandrien und Papst der koptisch-orthodoxen Kirche verehrt. Sein Einsatz für den wahren Glauben war unermüdlich. Im Gedächtnis der Heiligen in der koptischen Liturgie heisst es: «Gedenke gnädig, o Herr, all Deiner Heiligen, die Dir von Anbeginn wohlgefallen haben: … des heiligen Athanasios, des Apostelgleichen, … der 318 Versammelten zu Nikaia, … und unseres Vaters, des gerechten Abba Antonios des Grossen, des rechtschaffenen Abba Paul … und aller Reihen deiner Heiligen. Durch ihre Gebete und Fürbitten für uns, hab Erbarmen mit uns allen. Errette uns um deines Namens willen, der über uns gerufen ist.»
Hans Rahm