Im Kino: Capharnaum Stadt der Hoffnung
In einem Gerichtssaal in Beirut klagt der zwölfjährige Zain seine Eltern an, weil sie ihn in die Welt gesetzt haben. Er wird vernachlässigt, muss schon früh arbeiten und ist identitätslos, da seine Eltern kein Geld für einen Geburtsschein hatten. Zain flüchtet, als seine jüngere Schwester Sahar zwangsverheiratet wird. Er kommt bei der Migrantin Rahil unter, die illegal in einem Slum lebt. Tagsüber hütet er ihren einjährigen Sohn Yonas. Als Rahil unvermittelt nicht mehr zurückkommt, sind die Kinder auf sich allein gestellt und alle Verantwortung lastet nun auf Zain. Ein Film über das Schicksal eines syrischen Flüchtlingskinds im Libanon.
Die libanesische Regisseurin Nadine Labaki hat einen aufwühlenden Film gedreht. Sie arbeitete mit Laiendarstellern, die ihre Rolle grösstenteils mit ihrer eigenen Geschichte ausfüllen und also eigentlich nicht schauspielern, sondern vor allem sich selbst verkörpern. Zains Leistung ist ausserordentlich: seine Gesichtszüge und seine Worte fesseln, sein ganzer Ausdruck ist überragend und trägt den Film. In der Geschichte steht die extreme Not von Kindern und erwachsenen Menschen in krassem Kontrast zu bedingungs- und furchtloser Menschlichkeit und Nächstenliebe. «Capharnaum – Stadt der Hoffnung» porträtiert zwar lokale Begebenheiten, der Film gibt aber auch allen anderen Verdrängten und Leidenden auf der Welt eine Stimme, denen ein ähnliches Schicksal widerfährt. Ein intensiver und zwingender Film, der tief unter die Haut geht.
Thomas Schüpbach, Pfarrer ref. Kirchgemeinde Zürich-Sihlfeld und Mitglied bei Interfilm
«Capharnaum», Libanon 2018, Regie: Nadine Labaki; Besetzung: Zain Al Rafeea, Yordanos Shiferaw, Boluwatife Treasure Bankole; Verleih: Filmcoopi Zürich AG,