Schweizerischer Heiligland-Verein
Association suisse de Terre Sainte
Associazione svizzera di Terra Santa
Swiss Holy Land Association
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Projekte Ägypten

Oberägypten – Kindern und Jugendlichen eine zweite Chance geben

Kinder in den Dörfern in Oberägypten, besonders Mädchen, leiden unter eingeschränkten Bildungsmöglichkeiten – und Zugang zu medizinischer Hilfe. Einige werden nicht eingeschult und andere müssen die Schule nach wenigen Jahren verlassen. Dies führt zu einer immer grösseren Armut in den betroffenen Familien. Darunter leiden vor allem Mädchen, die früh verheiratet werden und jung Kinder bekommen, unter einem weiteren Armutsrisiko.

Unsere Partnerorganisation AUEED baut daher in Oberägypten so genannte Pa­rallelschulen für aus dem offiziellen Schulsystem gefallene Kinder auf. Dina Raouf bittet uns, acht solche Parallelschulen in Assiut und Sohag zu unterstützen, damit 300 Kinder im Alter von neun bis 14 Jahren während eines Jahres eine nichtformelle Bildung in einer lernförderlichen Umgebung erhalten. Der Unterricht findet an fünf Tagen in der Woche statt. Hier sollen sie sich entwickeln können, Dialogfähigkeit erlernen und Lebenskompetenzen und handwerkliche Fertigkeiten erwerben. Sie sollen ihre grundlegenden sozialen, wirtschaftlichen und bürgerlichen Rechte kennen und erlangen und an der Entwicklung ihrer Gemeinschaften teilnehmen können. Zudem werden die Kinder medizinisch gecheckt und erhalten wo nötig Medikamente, insbesondere gegen Anämie; mit einer angemessenen und gesunden Ernährung kann ihre Gesundheit verbessert werden.

In zwölf Monaten können Kinder und Jugendliche ohne Schulbildung ein vereinfachtes Primarschulprogramm durchlaufen. 

Die wirtschaftliche Lage hat sich in Ägypten weiter angespannt. In der Covid19-Pandemie mit zahlreichen Todesfällen und Entlassungen verloren viele Familien ihre Ernährer oder Ernährerinnen. Der Ukraine-Krieg liess die Preise für Getreide hochschnellen und trieb die Inflationsrate im Juni 2023 auf beinahe 36 Prozent in die Höhe. Die Parallelschulen durchbrechen den Teufelskreis der Armut, indem sie durch Bildung und Gesundheitsförderung die Hauptursachen von Armut bekämpfen. Gemäss dem UNDP-Bericht 2021 tragen Bildungsdefizite mit 53 Prozent und Gesundheitsmängel mit 40 Prozent zur Entstehung von Armut in Ägypten bei. Der Index der mehrdimensionalen Armut (MPI) misst verschiedene Indikatoren im Bereich der Bildung wie Anzahl der besuchten Schuljahre, Anwesenheit in der Schule und der Gesundheit wie Kindersterblichkeit und Qualität der Ernährung sowie den Lebensstandard – vorhandenes Brennmaterial zum Kochen, Zugang zu Sanitäreinrichtungen, zu sauberem Wasser und Elektrizität sowie Boden und Besitz. Personen, die einen Mangel in 20 bis 30 Prozent der gemessenen Kategorien aufweisen, gelten als «von Armut gefährdet» und jene Personen, welche in mehr als 50 Prozent einen Mangel aufweisen, leben in «ernsthafter Armut».

AUEED gibt durch die Parallelschulen den Kindern, die nie zur Schule gingen oder frühzeitig ausschieden, eine zweite Chance auf Bildung und Lebenserziehung. Diese nicht formellen Bildungs­initiativen werden von den Dorfgemeinschaften getragen. Die erste Parallelschule wurde von dem tschechischen Mönch Eugene 1986 im Dorf Bayadeya in Mallawi eingerichtet. In seiner Freizeit versammelte er die Kinder des Dorfes in einem alten Gebäude, um sie im Lesen und Schreiben zu unterrichten. AUEED unterstützte den Versuch und lieferte ihm eine Schultafel und andere Materialien. Diese Art der nicht formellen, gemeinschaftlichen Bildung inspi­rierte viele andere Organisationen wie UNICEF, NCCM und das Erziehungs­ministerium.

Die erste Parallelschule wurde 1986 vom tschechischen Mönch Eugene in Mallawi gegründet.

 

AUEED bittet den Schweizerischen Heiligland-Verein, acht solche Parallelschu­len in Dörfern in den Provinzen Assiut und Sohag für zwölf Monate ab Juli 2023 zu unterstützen. Insgesamt 300 Kinder sollen in dieser Zeit ein vereinfachtes Primarschulprogramm durchlaufen und handwerkliche und lebensfördernde Tätigkeiten erlernen. Helfen Sie durch Ihre Spende mit, die Armutsspirale zu durchbrechen und diesen Kindern eine zweite Chance zu einem selbst bestimmten Leben zu geben.

Hans Rahm

Vermerk für Ihre Spende:
Parallelschulen gegen die Armut

Oberägypten – Unterstützung von christlichen Schulen

Dina Raouf von der Association of Upper Egypt for Education and Development (AUEED) in Kairo berichtet uns über die beiden Schulen, welche mit dem Beitrag aus der Karwochenkollekte unterstützt werden. Die AUEED wurde 1940 vom Jesuitenpater Dr. Henry Ayrout gegründet, um die Entwicklung der oberägyptischen Dörfer zu fördern.

AUEED unterstützt 35 Schulen, darunter auch jene in Wasta mit 288 Schülerinnen und Schülern sowie 27 Lehrenden, und jene in Deir el Ganadla mit 319 Schülerinnen und Schülern sowie 21 Lehrkräften. Beide Schulen befinden sich in der Provinz Assiut, die mit 66,7 % die höchste Armutsquote in Ägypten aufweist.

AUEED unterstützt 35 Schulen, darunter
auch jene in Wasta mit 288 Schülerinnen
und Schülern sowie 27 Lehrenden,
und jene in Deir el Ganadla mit
319 Schülerinnen und Schülern sowie
21 Lehrkräften. Beide Schulen befinden
sich in der Provinz Assiut, die mit 66,7 %
die höchste Armutsquote in Ägypten
aufweist.

 

Ägypten mit nunmehr 105 Millionen Einwohnern leidet seit einigen Jahren unter einer schweren Wirtschaftskrise, verschärft durch die Corona-Pandemie. Der russisch-ukrainische Krieg führte zu einem sprunghaften Anstieg der Preise. Dazu kommen die massive Abwertung der Landeswährung und die steigende Inflation.

Die AUEED-Schulen liegen in armen Dörfern in schwach erschlossenen Gegenden. Die Organisation legt Wert auf eine qualitativ hochwertige Bildung zu geringen Kosten. AUEED gewährt Voll- und Teilstipendien und betont die Gleichheit zwischen Arm und Reich, zwischen Christen und Muslimen und zwischen Mädchen und Jungen.

Dina Raouf berichtet uns von zwei 
erfolgreichen Absolventen der beiden Schu-len. Dr. Mohamed Awad Osman (32), Zahnarzt – «Ich praktiziere in Deir el Ganadla und in der Stadt Ghanayem. Ich habe die AUEED-Schule in Deir el Ganadla absolviert, die einen grossen Einfluss auf meine persönliche Entwicklung hatte. Um etwas zurückzu-geben, arbeite ich mit der Schule zusammen, um Eltern und Lehrpersonen für das Thema Zahnhygiene zu sensibilisieren.»

Jacqueline Maher (35), Lehrerin – «Ich arbeite als Englischlehrerin an der Was-ta-Schule. Meine Liebe zur englischen Sprache entdeckte ich an dieser Schule. Die Schule hat auch meinen Charakter durch die Lehrpersonen, die Pfadfinderlager und die Theateraktivitäten geformt. Ich finde es wirklich toll, dass ich an der gleichen Schule arbeite, an der ich gelernt und die ich geliebt habe.»

Neue medizinische Geräte, um Armutsbetroffenen zu helfen

Die koptisch-katholische Kirche Ägyptens betreibt in Shoubra el-Khema eine kleine Poliklinik, deren Einrichtung dringend erneuert werden muss. Das «Dispensary St. Mary» bietet in einem ländlichen Quartier rund 240 000 Menschen medizinische Grundversorgung. Der Betrieb der Poli­klinik wird durch den Sozialdienst «Diakonia» der Patriarchaldiözese gewährleistet, doch für die Anschaffung von neuen Geräten ist Hilfe von aussen nötig.

 

 

Shoubra el-Khema ist die viertgrösste Stadt Ägyptens mit über einer Million Einwohnerinnen und Einwohnern. Sie schliesst nördlich an Kairo an und bildet mit Kairo und Giza eine grosse Agglomeration, in der rund 15 Millionen Menschen leben. Die früheren Gärten und 
Paläste, die der Region den koptischen Namen «Shoubra» – Landschaft – gaben, wurden seit den 1950er Jahren von meist ungeregelten Arbeitersiedlungen überwuchert. Ein Kohlekraftwerk und Schwerindustrie verdrecken die Luft. Der fruchtbare Deltaboden am Nil ist grösstenteils überbaut.

 

In der Poliklinik St. Mary werden
mittellose Menschen in verschiedenen
medizinischen Bereichen behandelt –
etwa auch Zahnmedizin und Augenheilkunde.

 

Amr (5) bricht plötzlich zusammen

Es ist ein ganz normaler sonniger Tag, als Amr, ein fünfjähriger Junge, mit seinen Freunden vor dem Haus spielt. Plötzlich bricht er zusammen. Der Vater bringt das Kind sofort zur Krankenstation St. Mary und schreit um Hilfe, da er keine Ahnung hat, was mit ihm los ist. Die Eltern denken, es sei die Hitze oder ein niedriger Blutdruck, die Amr in Ohnmacht fallen liess. Nach einigen Tests stellt sich heraus, dass Amr ein Herzproblem hat. Der Herzmuskel ist zu schwach. Der Kardiologe Dr. Mikael Moftah behandelt ihn. Heute kommt Amr noch zu Kontrolluntersuchungen. Ohne die Poliklinik St. Mary müsste Amrs Vater ins Spital gehen, das anderthalb Stunden weg liegt und viel zu teuer für ihn ist. Die Poliklinik St. Mary hat das Leben seines einzigen Kindes gerettet.

 

Die koptisch-katholische Kirche ist mit rund 250 000 Gläubigen eine Minderheit in der christlichen Minderheit des Landes. Die koptisch-orthodoxe Kirche macht rund 10 Prozent der rund 105 Millionen Ägypterinnen und Ägypter aus, die mehrheitlich sunnitische Muslime sind. 2019 weihte Patriarch Ibrahim Isaac Sedrak seinen Privatsekretär Father Hani Bakhoum zum Bischof und setzte ihn als Kurienbischof für seine Patriarchaldiözese ein. Anba Bakhoum, so sprechen ihn die Gläubigen an, ist oberster Verantwortlicher für den 2010 errichteten Sozialdienst «Diakonia» der Patriarchaldiözese und garantiert, dass die Spenden zielgenau eingesetzt werden.

 

Eine Mutter (35) von drei Kindern verbrennt sich das Gesicht

Amal (35) hat drei kleine Kinder. Sie kommt in die Poliklinik St. Mary, nachdem sie sich beim Kochen des Abendessens für ihre Familie im Gesicht verbrannt hat. In der ersten Sprechstunde weint Amal vor Schmerzen und ihre Kinder mit ihr. Die Kinder begleiten die Mutter, weil sie noch zu klein sind, um alleine zu Hause zu bleiben. Der Ehemann zittert und hat Angst um seine Frau. Dr. Marian Samir, Dermatologin in der Poliklinik, reinigt die verbrannte Haut. Der chirurgische Eingriff ist erfolgreich. Amal bleibt etwa einen Monat lang in der Krankenstation. Die Ärztin Christina Nasser hilft Amal, die psychologische Notlage zu bewältigen und ihr neues Gesicht zu akzeptieren. Amal geht es heute viel besser und sie führt ein normales Leben mit ihrer Familie.

 

Die von «Diakonia» seit vielen Jahren geführte Krankenstation dient rund 240 000 in der Umgebung lebenden Menschen. Zwölf hochqualifizierte Ärztinnen und Ärzte und mehrere Krankenschwestern betreuen die Pa-tientinnen und Patienten, ohne nach Relgionszugehörigkeit zu unterscheiden. Diese Station ist für die Gegend sehr wichtig; sie soll jedoch dringend renoviert und ihre Infrastruktur ergänzt werden. Neben Behandlungsstühlen und sechs Spitalbetten braucht es medizinische Geräte, Laboreinrichtungen und Klimaanlagen. Ziel ist es, künftig 50 bis 60 Fälle pro Tag aus verschiedenen Fachbereichen – allgemeine Chirurgie; interne Medizin; Herz- und Zahnmedizin; Dermatologie; Kinderheilkunde; Orthopädie und Physiotherapie – behandeln zu können. Die Kosten für die ärztliche Untersuchung betragen symbolische 40 Pfund oder weniger, wenn die Familien nicht zahlen können. Die Menschen in Shoubra el-Khema sind froh, dass sie die Poli-klinik St. Mary in ihrer Nähe haben.

 

Ein 12-jähriges Mädchen wird Opfer eines Unfalls mit Fahrerflucht

Nicht alle Geschichten haben ein Happy End. Ein 12-jähriges Mädchen, das Opfer eines Unfalls mit Fahrerflucht wird, kommt mit einer gebrochenen Rippe und einem gebrochenen Bein in die Krankenstation. Der Unfall verursacht innere Blutungen, und das Mädchen müsste geröngt oder mit einem CT untersucht werden. Doch diese Geräte gibt es nicht. Das Mädchen in das nächstgelegene Spital zu verlegen, geht nicht. Die Ärzte versuchen alles, um dem kleinen Mädchen zu helfen, doch sein Herz bleibt stehen. Eine Herz-Lungen-­Wiederbelebung wird durchgeführt, die wegen der gebrochenen Rippe äusserst schmerzhaft ist. Doch das kleine Mädchen stirbt und die Familie ist am Boden zerstört.

 

Sobald die Finanzierung steht, können die Räume saniert werden und die Einrichtung, Möblierung und medizinische Apparate werden ergänzt. Dann erhalten endlich auch mittelose Menschen eine bessere medizinische Versorgung. Danke, dass Sie mithelfen, Leben zu retten.

Hans Rahm

Vermerk für Ihre Spende: Poliklinik St. Mary

Die Lebensqualität der Armen verbessern

Schon vor dem Ausbruch der Coronapandemie litten die von AUEED 
(Association of Upper Egypt for Education and Development) geförderten Schulen unter finanziellen Engpässen, da die Ausbildungskosten für die Kinder höher waren als die von den Familien bezahlten Schulgebühren. Während der Coronakrise hat sich diese Situation weiter zugespitzt. Dank Spendengeldern aus dem Ausland konnte AUEED die Fehlbeträge 
bisher ausgleichen.

 

Trotz der begrenzten Mittel unternimmt AUEED zahlreiche Anstrengungen, um die Coronapandemie in Oberägypten einzudämmen. So startete AUEED eine Medienkampagne über sozialen Medien wie Facebook, um die ländliche Bevölkerung für die herrschende Gesundheitskrise zu sensibilisieren und zu zeigen, wie Ansteckungen vermieden werden können.

Dank Lebensmittlpaketen von AUEED muss die Familie von Magda nicht hungern.
Dank Lebensmittlpaketen von AUEED muss die Familie von Magda nicht hungern.

 

Homeschooling und digitale Initiativen

AUEED unterstützt im Moment 2400 armutsbetroffene Familien in Kairo, Minia, Assiut, Sohag, Qena und Luxor mit Nahrungsmittelpaketen. Weitere 1800 Schülerinnen und Schüler werden in der Schule mit Essen versorgt, um einer Unterernährung der Kinder und Jugendlichen vorzubeugen.

AUEED unterstützt 35 Schulen bei der Organisation von Homeschooling mit gedruckten und digitalen Unterlagen sowie mit dem Zugang zu Onlineplattformen. Zusammen mit den Organisationen «Save the Children» und «USAID» hat AUEED Lernspiele entwickelt, um die Lese- und Schreibfähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu Hause zu fördern und sie in ihrer Freizeit zu unterhalten. AUEED startete die digitale Initiative «Your health your wealth» mit Videos von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Koordinatoren auf der Internet-Plattform der Vereinigung für soziale Medien, um Kinder und Jugendliche darüber aufzuklären, wie wichtig eine ausgewogene Ernährung und regelmässige Bewegung sind. #Creativity_at_Time_of_Corona ist eine digitale Initiative, um Kinder zu künstlerischen Aktivitäten zu animieren.

AUEED unterstützt 35 Schulen bei der Organisation von Homeschooling mit gedruckten und digitalen Unterlagen sowie mit dem Zugang zu Onlineplattformen.
AUEED unterstützt 35 Schulen bei der Organisation von Homeschooling mit gedruckten und digitalen Unterlagen sowie mit dem Zugang zu Onlineplattformen.

 

Bildung für die Armen

Die negativen Auswirkungen von Covid19 werden andauern; Experten gehen davon aus, dass eine wirtschaftliche Erholung fünf Jahre dauern wird. Infolgedessen braucht Oberägypten mehr Mittel für Bildung, Gesundheit, Kultur und die Verbesserung der Lebensgrundlagen der Menschen.

Auch in den kommenden Monaten werden wir unter den Einschränkungen infolge der Pandemie leiden. Umso wichtiger ist der Zugang zu technologischen Dienstleistungen und eine angemessene Ausrüstung, die einen Fernunterricht auch in den armen Dörfern möglich macht.

AUEED fühlt sich vor allem mit den armutsbetroffenen Menschen in Ober-ägypten verbunden und ist dem Anliegen seines Gründers P. Henry Ayrout SJ verpflichtet, «das Leben der ländlichen Bevölkerung in Oberägypten zu verbessern». Danke für Ihre Solidarität mit den Bauern von Minia.

Dina Raouf, Kairo

Vermerk für Ihre Spende: AUEED hilft in Oberägypten

Vom Kampf gegen Polio und die Folgen dieser verheerenden Krankheit

In den 1980er Jahren verbreitete sich Polio in ganz Ägypten, besonders stark in den Dörfern und in Oberägypten. In fast jeder Familie lebte ein angestecktes Kind. Dank einer jahrelangen und sehr engagierten Impfkampagne durch das Hilfswerk JBA gibt es in der Provinz Minia keine Neu­erkrankungen mehr. Doch Menschen mit poliobedingten körperlichen Beeinträchtigungen haben es weiterhin schwer. Ein Bericht von Osama Isaac, Direktor der JBA, die den Betroffenen vor Ort hilft.

 

Menschen mit poliobedingten körperlichen
Beeinträchtigungen haben es weiterhin schwer.

Das Hilfswerk Jesuit & Brothers Asso­ciation for Development (JBA) in Minia, gegründet 1966 von ehemaligen Jesuitenschülern, kümmert sich seit bald 40 Jahren um Menschen, die aufgrund von Kinderlähmung körperlich eingeschränkt sind. Am Anfang standen Untersuchungen, Operationen, Medikamente und Physiotherapie im Vorder­grund. In einem zweiten Schritt schickte die JBA Gesundheits-Fachkräfte in die Dörfer, um Kinder mit Behinderungen zu erfassen, ihre Bedürfnisse zu dokumentieren und sie eng auf ihrem Weg zu begleiten.

Psychologische, soziale und berufliche Rehabilitation
Von Beginn an legten die Jesuiten­gemeinschaft und JBA besonderen Wert auf die psychologische, soziale und berufliche Rehabilitation der an Polio erkrankten Frauen und Männer. Minia, Stadt und Provinz mit 5,9 Millionen Menschen und dreiviertel so gross wie die Schweiz, gilt als Armenhaus Ägyptens. Menschen mit körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen erfuhren oftmals Benachteiligungen, wurden von der Gesellschaft und ihren Gemeinschaften vernachlässigt und ausgegrenzt.

JBA hat in Minia ein rollstuhlgängiges Ausbildungszentrum für Menschen mit körperlichen Behinderungen gebaut. Bereits über 2000 Personen konnten am Rehabilitationsprogramm mit Alpha­betisierungskursen und Berufsausbildungen teilnehmen. Ein wichtiger Beitrag, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, ein wichtiger Schritt auch, sie in ihren Heimatdörfern zu integrieren, wo sie aufgrund ihrer gewonnenen Fähigkeiten oft erstmals Wertschätzung erfahren. Der Weg jedoch ist steinig: 98 Prozent
der Menschen mit Be­einträchtigung haben in der Provinz Minia keine Beschäftigungsmöglichkeiten, und 70 Prozent leben in armutsbetroffenen Familien.

Über 2000 Menschen konnte im Rehabilitationszentrum geholfen werden.

Seit 2000 keine neuen Ansteckungen Wir brauchen in der Gesellschaft eine veränderte Haltung gegenüber Menschen mit Behinderungen. Deswegen sind weiterhin Aufklärungskampagnen nötig. Auch ist es nach wie vor wichtig, die Bevölkerung für Krankheiten wie Polio zu sensibilisieren. So führen wir immer wieder Impfkampagnen durch mit dem Ziel, möglichst alle Kinder zu erreichen. Seit dem Jahr 2000 wurden in Minia denn auch keine neuen Ansteckungen mehr gemeldet. Das gibt uns Mut, weiterzukämpfen für die vielen von Polio betroffenen Frauen und Männer, die als gleichberechtigte Mitglieder der Gesellschaft wahrgenommen werden wollen.

Osama Isaac, Minia / Oberägypten

Vermerk für Ihre Spende: JBA – Erfahrung mit Polio

Damit auch behinderte Menschen in Würde leben können

Menschen mit Behinderung werden in der ägyptischen Gesellschaft heute oft ausgegrenzt. Sie gelten als Menschen, die nicht lernen, nicht arbeiten oder ihre sozialen Aufgaben nicht erfüllen können. In Ägypten leidet 
ein Grossteil der Menschen mit Behinderung unter mangelnden Beschäf­tigungsmöglichkeiten. Nur wenige von ihnen haben Zugang zu öffentlicher Bildung, viele sind erwerbslos.

+ Das Rehabilationszentrum der JBA in Minia

 

Bislang gibt es nur sehr wenige Institu-tionen, die sich für Menschen mit Behinderung einsetzen. Eine von ihnen ist die Jesuits’ and Brothers’ Association (JBA).
Basierend auf diesem gesellschaftlichen Hintergrund setzt sich die JBA, eine der Jesuitengemeinschaft nahestehende Organisation im ägyptischen Regierungsbezirk Minia, schon seit vielen Jahren überkonfessionell für Menschen mit Beeinträchtigungen ein. In Minia liegt ihr Anteil an der Bevölkerung von rund 5,5 Millionen Menschen bei 10 Prozent. Die JBA bittet den SHLV konkret für die Unterstützung eines Projekts um Hilfe, das sie, in Ergänzung zu den etablierten Förderprogrammen, lancieren möchte. Im Rahmen dieses Projektes sollen jährlich 50 erwachsene Frauen und Männer mit geistiger oder körperlicher Behinderung in ein Beschäftigungsprogramm aufgenommen werden. Sie werden in Berufsbereiche, die ihren Fähigkeiten entsprechen, eingeführt und praktisch angelernt. Anschliessend erhalten sie die Möglichkeit, Kleinkredite zu beantragen, damit sie diese Arbeiten selber ausüben können. Mit diesem Förderprogramm erhalten diese Frauen und Männer eine gewisse Selbstständigkeit, entlasten ihre Familien und werden in die Gesellschaft integriert.

Auch Behinderte haben ein Recht 
auf Arbeit

JBA leitet in der Stadt Minia ein Reha-bilitationszentrum und führt von hier aus bereits seit 1983 regelmässig Förder- und Integrationsprogramme für Menschen mit Beeinträchtigungen durch. Ziel ist, diese Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen schulisch, beruflich und sozial zu fördern. JBA hat auch ein 
Sensibilisierungsprogramm gestartet, um das öffentliche Bewusstsein für 
die Rechte von Menschen mit Beein-träch-tigungen und ihr Recht auf Arbeit zu schärfen und damit die negative Einstellung in der Familie und in der 
Gesellschaft zu ändern.

Darlehen für Menschen mit 
Behinderung

Das neue Projekt richtet sich gezielt 
an 50 Menschen, die bereits in den letzten Jahren von JBA gefördert wurden. Sie können Kleinkredite erhalten, um ihnen bei der Entwicklung und Realisierung ihrer eigenen beruflichen Projekte etwa in der Geflügel- oder Schafzucht oder als Handwerker zu helfen. Ebenso sollen Darlehen an Familien mit behinderten Töchtern und Söhnen im Erwachsenenalter vergeben werden, wenn sie sich für deren Ausbildung oder beruf-liche Integration einsetzen. Erstmalig geht es um die Äufnung eines Fonds. Daraus können dann Darlehen ausgegeben werden, die in monatlichen Raten wieder in den Fonds zurückbezahlt werden. Damit erhalten weitere motivierte Frauen und Männer eine Chance auf Förderung und Unterstützung.

 

+ Im Juni besuchte der neue geschäftsführende Direktor der JBA, Osama Isaak die Geschäftsstelle des SHLV in Luzern (links im Bild).

 

Jesuits’ and Brothers’ Asso­ciation for Development (JBA)

Seit 1966 setzt sich die JBA, eine ägyptische Nichtregierungsorgani­sation, die von Pater Henry Ayrout SJ gegründet wurde, in der Provinz Minia für arme und benachteiligte Menschen in ländlichen und städtischen Gebieten ein. Der Verein steht der Jesuiten­gemeinschaft nahe und bildet Frei­willige aus. Im Juni besuchte der neue geschäftsführende Direktor der JBA, Osama Isaak die Geschäftsstelle des SHLV in Luzern, wo er über die Arbeit und die Lebenssituation gesprochen und das aktuelle Projekt persönlich vorgestellt hat. Er wurde von Pater Magdi Seif SJ von der Jesuitengemeinschaft in Minia begleitet; dieser ist seit 2015 im syrischen Homs tätig.

Spendenvermerk: Minia – Arbeit trotz Beeinträchtigung

Ausbildungsprogramm in Minia – Lernen durch Mittun

Das Lehrstellenprojekt der St. Mark Development, dem Sozialwerk der koptisch-orthodoxen Kirche im ägyptischen Minia, startete 1986 mit einem Programm für arbeitslose, junge Erwachsene. Zu Beginn des Projekts wurden eine Reihe von Werkstätten eingerichtet und die Auszubildenden in bestimmten Berufen geschult. Heute werden keine gemeinsamen Schulungen mehr durch­geführt. Die Auszubildenden absolvieren ein Praktikum in einem privaten Unter­nehmen oder werden von einer Fachperson vor Ort ausgebildet. Der Projektleiter Raif Hennawi berichtet.

+ 
Nach einem Praktikum können die Auszubildenden dank eines kostenlosen Darlehens ein eigenes Geschäft gründen

Am Anfang bildeten wir die jungen Leute in eigenen Werkstätten und gemeinsamen Berufsgruppen aus. Im Laufe der Zeit machten wir die Erfahrung, dass zu viele Berufsabgänger aus einem Dorf im gleichen Berufsfeld ausgebildet wurden und nicht alle eine Arbeitsstelle fanden. Zudem stellte sich heraus, dass eine grössere Zahl von Teilnehmenden die Kurse nur besuchten, um am Schluss kostenlos Werkzeuge mit nach Hause nehmen zu können, die wir ihnen zur Verfügung stellten.

Neues Konzept

Heute werden keine gemeinsamen Schulungen mehr durchgeführt, sondern die einzelnen Auszubildenden aus jeder Gemeinde machen je ein Praktikum in einem privaten Geschäft oder werden durch eine Fachperson vor Ort in einem Handwerk angeleitet. Nach einer Anlernzeit von 120 Tagen haben die jungen Leute die Möglichkeit, zinslose Dar-lehen zu erhalten, um eigene, kleine Unternehmen zu gründen. Die Frauen und Männer, die 2013 und 2014 an unserem Ausbildungsprogramm teilnahmen, wurden in 15 verschiedenen Berufsfeldern geschult. Während der Ausbildungszeit müssen die Teilnehmenden einen Semestertest und nach der Ausbildung einen Abschlusstest absolvieren. Die Absolventinnen und Absolventen erhalten vom Arbeitsministerium ein offizielles Zertifikat, einen Ausweis und die Erlaubnis, den erlernten Beruf auszuüben. Danach können sie entweder in ihrem Ausbildungs-betrieb weiterarbeiten, sich mit anderen Absolventinnen und Absolventen zusammentun oder ein eigenes Unternehmen starten, wofür sie ein zinsloses Darlehen erhalten können.

Zusammenarbeit mit dem SHLV

Wir sind sehr dankbar für die Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Heiligland-Verein, die im Juni 2011 begann. Später und danach unterstützte der SHLV die Programme, die Klein-kredite für armutsbetroffene Familien und für arbeitslose Jugendliche bereitstellt. Hier erwerben arbeitslose und unterbeschäftigte junge Erwachsene handwerkliche Fähigkeiten, um später mit einer qualifizierteren Arbeit ein eigenes Einkommen zu erzielen.

Beispiele für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt

Mohamed Aref Ramadan, 26 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, wohnt in Meschta, einem Dorf 20 Kilometer nördlich von Minia City. Vor der Ausbildung jobbte er als ungelernte Hilfskraft in einem Restaurant. 2013 machte er eine Ausbildung zur Wartung von Handys. Er bestand die Tests und schloss die Schulung erfolgreich ab.

Nach dem Abschluss arbeitete Mohamed mit seinem Kollegen Emad zusammen, der mit ihm die gleiche Schulung erhielt. Die beiden starteten ein Unternehmen zur mobilen Wartung, zum Verkauf von Ersatzteilen und Zubehör. Laut Mohamed ist sein monatliches Einkommen mit durchschnittlich 2000 ägyptischen Pfund (rund CHF 120.–) deutlich gestiegen.

Marian Malak Farid, 30 Jahre alt, alleinstehend, lebt in Towa, einem Dorf 15 Kilometer westlich von Minia City. Vor der Ausbildung arbeitete sie als ungelernte Verkäuferin im Handel mit konfektionierter Kleidung. 2013 liess sie sich als Coiffeuse ausbilden, bestand die Prüfungen und schloss die Ausbildung erfolgreich ab. Heute betreibt Marian einen Coiffeurladen im Haus ihrer Eltern. Später erweiterte sie das Geschäft mit einem Mietservice für Brautkleider. Laut eigenen Angaben ist ihr monatliches Einkommen mit durchschnittlich 1000 ägyptischen Pfund deutlich gestiegen. Neben einem saisonalen Zusatzeinkommen von 2500 ägyptischen Pfund.

Girgis Ghattas Ayoub, 29 Jahre alt, verheiratet, zwei Kinder, vor der Ausbildung ledig, wohnt in Beni Mahamde Shaarawi, 20 Kilometer südöstlich von Minia City. Vor der Ausbildung war er als ungelernter Gelegenheitsarbeiter tätig, Girgis erhielt 2013 eine Ausbildung als Keramikfliesenleger, bestand die Tests und schloss die Ausbildung erfolgreich ab. Nach der Ausbildung entwarf Girgis eine eigene Kollektion von Keramikfliesen und bildet heute eigene Lehrlinge aus. Laut Girgis ist sein monatliches Einkommen mit durchschnittlich 4000 ägyptischen Pfund deutlich gestiegen.

+ Raif Hennawi, Projektleiter St. Mark, Minia

 

Spendenvermerk: Lehrstellenprojekt St. Mark, Minia

Kleinkredite für Frauen

Minia ist in Bewegung…

Plötzlich ist sie allein für ihre Familie verantwortlich, entweder wegen des Todes des Ehemannes oder nach der Scheidung. Vielleicht hat der Mann einfach seine Familie ver- und im Stich gelassen. Es kann auch sein, dass er krank ist und darum nicht arbeiten und Geld verdienen kann: Offizielle Statistiken zeigen, dass etwa 40 Prozent der ägyptischen Familien von Frauen geleitet werden.

Diese Frauen sind oft arme Analphabetinnen, die nun grosse Familien ernähren, und die sehr oft in ländlichen Dörfern mit begrenzten Ressourcen und Beschäftigungsmöglichkeiten leben. Ausserdem ist die Arbeit der Frauen ausser Haus in der Gesellschaft eher geächtet, besonders wenn sie keinen Ehemann haben. Angesichts dieser dramatischen Situation will die IDAM (Integral Development Actions of Minia) dafür da sein, mit diesen Frauen ihr Leben und ihre Sorgen zu teilen und inmitten dieser schwierigen Umstände mit diesen Frauen zusammen eine Zukunft zu bauen.

Diese Frauen sind oft arme Analphabetinnen, die nun grosse Familien ernähren, und die sehr oft in ländlichen Dörfern mit begrenzten Ressourcen und Beschäftigungsmöglichkeiten leben. Ausserdem ist die Arbeit der Frauen ausser Haus in der Gesellschaft eher geächtet, besonders wenn sie keinen Ehemann haben. Angesichts dieser dramatischen Situation will die IDAM (Integral Development Actions of Minia) dafür da sein, mit diesen Frauen ihr Leben und ihre Sorgen zu teilen und inmitten dieser schwierigen Umstände mit diesen Frauen zusammen eine Zukunft zu bauen.

Vom Nähen bis zum Gemüseanbau

Das Büro des koptisch-katholischen Erzbistums von Minia (IDAM) organisiert zweimal pro Woche ein regelmässiges Treffen für solche Frauen, um die sozialen Barrieren zu durchbrechen und Frauen die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen und vielfältige Unterstützung durch juristisches und gesundheitsbezogenes Wissen und Informationen zu erhalten. Ebenso werden sie in verschiedenen Gebieten aus- oder weitergebildet in häuslicher Betreuung und Erziehung durch Fachpersonen, daneben können sie Lese- und Schreibfähigkeiten erwerben und eine Ausbildung in einfachen Hausaufgaben (wie Backen, Haushaltsreinigung, Geflügelzucht, Nähen oder Anbau von Gemüse und Obst auf Dächern) für den Verkauf erhalten. Darüber hinaus werden sie aufgrund einer Machbarkeitsstudie befähigt, ihre kleinen Projekte zu verwalten. Zuschüsse und Darlehen werden den ärmsten Familien zur Verfügung gestellt, um eine so geartete wirtschaftliche Tätigkeit zu entwickeln oder zu beginnen.

Breit vernetzt

Ebenfalls bietet die IDAM umfassende medizinische Untersuchungen und Behandlungen für die bedürftige, rechtliche und psychologische Unterstützung durch Spezialisten an. So kooperiert IDAM mit Regierungsbehörden, NGOs und Medien, und wird in ihrer Arbeit auch von diesen unterstützt.

Frauen im Zentrum

Der Schweizerische Heiligland-Verein unterstützt dieses Engagement des Bischofsordinariats der koptisch-katholischen Kirche in Minia. Die verschiedenen Klein-Projekte (siehe nachfolgend) sollen dazu beitragen, die wirtschaftliche Situation der Frauen und ihrer Familien zu verbessern, indem kleine finanzielle Projekte für Frauen finanziell unterstützt werden, um das Familieneinkommen zu erhöhen. Die eine Frau engagiert sich im Projekt mit dem Nähen von Kleidung, eine andere betätigt sich als Coiffeuse. Eine dritte Frau führt einen kleinen Lebensmittelladen, weitere verkaufen Zubehör oder Konfektionskleidung. Weitere Frauen betätigen sich in der Schafs- und Ziegenzucht oder von Hühnern und Enten. Nicht zu vergessen ist auch die Herstellung von Milchprodukten wie Yoghurt. Die monatlichen Gewinne für diese Projekte reichen von 400 LE bis 500 LE (ca. CHF 23.– bis 28.–).

Glücklich, stolz, selbstbewusst

Soweit die wirtschaftliche Seite. Dass die Frauen in derartigen Projekten mitarbeiten können und so wichtige zusätzliche Einnahmen für ihre Familien generieren können, macht sie glücklich und stolz. Sie können damit einen Traum verwirklichen. Der Einsatz der Frauen bringt ihren Familien nicht nur mehr Geld, sondern schenkt den Frauen auch Selbstbewusstsein.
Die koptisch-katholische Kirche in Minia engagiert sich auch in vielen anderen Projekten, wie der Jugend- und Gemeindepastoral, der Unterstützung von Kleinbauern, oder beteiligt sich vielfältig in Projekten zur Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen in den Dörfern der Region.

+ Ludwig Spirig-Huber, Bern

Heba Mohamed Abd el-Karim besitzt einen Lebensmittelladen

Mein Name ist Heba Mohamed Abd el-Karim aus El Fokaey. Ich bin 31 Jahre alt, Witwe und habe drei Kinder, alle besuchen die Primarschule. Mein Mann ist vor drei Jahren an Krebs gestorben. Somit hatten wir keine Einkommensquelle mehr. Wir hatten alles Geld für seine Medikamente ausgegeben. Ich ging zum örtlichen Sozialamt, erhielt dort aber nur eine Pension von 310 ägyptischen Pfund (ca. CHF 18.–). Um eine vierköpfige Familie zu unterstützen, ist das doch sehr wenig.
So dachte ich über ein Projekt bei mir zu Hause nach, nur: woher bekomme ich das Geld, um mein Projekt zu starten?! Als ich jedoch hörte, dass es möglich sei, von IDAM einen Zuschuss zu bekommen, bewarb ich mich erfolgreich darum. Mein Wunsch wurde wahr! Mein Projekt «kleines Lebensmittelgeschäft» konnte bei mir zu Hause beginnen. Ich kaufte einige Waren wie Reis, Teigwaren, Zucker, Tee, Seife, Guetzli und anderes mit dem Grosshandelspreis. Nun kann ich all diese Waren an die Nachbarn und Verwandten verkaufen. Jetzt kann ich jeden Tag fast 30 LE (ca. CHF 1.70) einnehmen. Dadurch kann ich meine Familie unterstützen.

Heba Emad Rizk hat ihren Coiffeursalon eröffnet

Mein Name ist Heba Emad Rizk aus Towa. Ich bin 26 Jahre alt, lebe seit vier Jahren von meinem Mann getrennt. Ich habe zwei Töchter, 9 und 5 Jahre alt. Mein Ehemann
unterstützt uns nie und wir haben keine Einkommensquelle…
Ich dachte daran, einen Coiffeursalon bei mir zu Hause zu eröffnen, aber ich konnte die notwendige Ausrüstung dafür nicht kaufen. Dann hörte ich von der Möglichkeit, von IDAM einen Zuschuss zu bekommen.
Ich bewarb mich darum, ich erklärte meine schwierigen Bedingungen. IDAM stimmte meinem Stipendium zu. Da war ich sehr glücklich, dass Gott mir half, das Projekt zu eröffnen, von dem ich träumte, und gleichzeitig ein Einkommen zu haben, um meine Töchter unterstützen zu können.
Als das Stipendium ausbezahlt worden war, habe ich mir einen Fön, einen Haarglätter, ein Verlobungskleid und ein Hochzeitskleid gekauft (die Kleider zur Miete). Den Coiffeursalon konnte ich in einem Raum in meinem Haus einrichten. Nachbarn und Verwandte kamen. So wurden sie meine Einkommensquelle und ich bekomme fast 50 LE täglich (knapp CHF 3.–). Das ist genug, um meine Familie zu unterstützen.

 

Spendenvermerk: Kleinkredite für Frauen in Minia

Die eigene Zukunft erarbeiten – dank Mikrokrediten

In diesen Tagen jährt sich zum fünften Mal der Beginn des „Arabischen Frühlings“ in Ägypten. Die Lebenssituation hat sich nicht verbessert, die Forderung des Volkes nach Brot, Freiheit und Gerechtigkeit, nach einem besseren Schulsystem und einer breiten Gesundheitsversorgung, nach Arbeit und Bekämpfung der Korruption bleibt. Oberste Priorität hat die Verbesserung der Sicherheit im ganzen Land. Darunter leiden aber die Presse- und Meinungsfreiheit.

Investitionen erfolgen zögerlich, niemand möchte Risiken eingehen. Viele Dörfer im ländlichen Oberägypten sind stark unterentwickelt, leiden unter Armut und Arbeitslosigkeit und haben nur minimen Zugang zu Dienstleistungen. Die Armutsrate liegt bei 43,7 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit bei 85 Prozent. 57 Prozent der rund 84 Millionen Einwohner leben auf dem Land, in der Provinz Minia sind es sogar über 80 Prozent.

Anfangs 2013 startete St. Mark Development (NGO), das Sozialwerk der Koptischorthodoxen Kirche von Minia, mit unserer Unterstützung ein für sie neues Projekt: 60 arbeitslose junge Männer und Frauen lernten einen Beruf, indem sie ein Jahr lang bei einer Fachperson in die Lehre gingen. Sie besuchten dazu Rechen- und Schreibkurse und wurden eng begleitet von den Projektverantwortlichen. Bis jetzt arbeiten immer noch über 80 Prozent, und das Projekt läuft weiter. Derzeit sind rund 180 Junge in der Ausbildung, dank der Unterstützung eines deutschen Hilfswerks.

Ein anderes Projekt geniesst ebenfalls hohe Priorität: Mikrokredite. Auch hier geht es darum, die Lebenssituation zu verbessern und den Menschen in Oberägypten Hoffnung auf eine Zukunft zu geben. Die meisten Arbeitsmöglichkeiten bietet der Agrarbereich, nur wenige gibt es in der Industrie oder im Dienstleistungssektor.

St. Mark hat bereits Erfahrung mit Mikrokrediten und möchte dieses Angebot erweitern. Für die Aufnahme in ihr Programm gelten mehrere Kriterien: arbeitslos, 21 bis 65 Jahre alt, absolvierter Militärdienst, guter Ruf, Empfehlung der Dorfgemeinschaft und Garantie eines Dorfbewohners, Erfahrung in der geplanten Tätigkeit und Projektumsetzung in der Region. Das tägliche Einkommen sollte nicht mehr als zwei Dollar betragen.

Diese Männer und Frauen werden geschult. Sie bringen Wissen und Erfahrung mit, die Projektverantwortlichen klären die Bedürfnisse in der Umgebung mittels Marktforschung ab. Dies begünstigt eine erfolgreiche Umsetzung des geplanten Projekts. Sie werden während der ganzen Zeit fachkundig begleitet. Mit den zurückbezahlten Mikrokrediten können wieder neue Kleinst-Unternehmer gefördert werden. Mit jeder Person, die dank eines Mikrokredits eine Existenz aufbauen kann, profitiert eine ganze Familie. Für ein Dorf in Oberägypten bedeutet jede Familie, die nicht mehr am Existenzminimum lebt, eine grosse Stütze für die Gesellschaft. So hilft sie mit, das Dorf zu entwickeln und die Abwanderung zu verhindern. Es ist quasi eine Revolution im Kleinen, Mikro halt.

Spendenvermerk: Mikrokredite für Minias Dörfer

Betreuung von Senioren

In vielen Kulturen, auch in Ägypten, ist es üblich, ja Verpflichtung, sich familienintern um die ältere Generation zu kümmern. Immer öfter kann diese Aufgabe nicht mehr wie gewohnt wahrgenommen werden. Es fehlen die finanziellen Mittel, der Wohnraum ist zu klein, oder es mangelt an der Betreuung, weil alle Familienangehörigen arbeiten müssen.

Gemäss Statistik liegt die Lebenserwartung für in Ägypten lebende Männer bei 71,3 und bei Frauen bei 75,2 Jahren (DEZA). Mit 65 Jahren fühlen sie sich nicht als fitte und unternehmenslustige Senioren und Seniorinnen, sondern sind müde und alt. Viele sind gesundheitlich bereits so stark angeschlagen, dass sie nicht mehr mobil sind: andere sind es aufgrund der persönlichen, finanziellen oder sozialen Situation.

Seniorenbegleiter

Deshalb ist die Idee der Koptischkatholischen Diözese Kairo (Kairo, Alexandria und das Delta) bestechend: Sie engagiert Freiwillige, die sie zunächst ausbildet und für das Zusammenarbeiten mit älteren Menschen sensibilisiert. Dann werden sie mit diesen älteren Menschen Aktivitäten unternehmen: Sie holen sie bei Bedarf zuhause ab, auch für Gottesdienstbesuche, organisieren Veranstaltungen mit verschiedenen Themen (Vorträge, Diskussionen, Filme, Beratungen, Spiel und Spass, Handarbeiten usw.), besuchen Konzerte oder Museen, veranstalten Picknicks.

Ein neuartiges Projekt

Dieses einzigartige Projekt, das wir „Pro Senectute auf ägyptisch“ nennen, stellt sich voll und ganz in den Dienst der älteren Menschen. Die Kirche bringt damit die Generationen wieder zusammen, verhilft auch den nicht mehr mobilen Frauen und Männern zu mehr sozialen Kontakten ausserhalb der Familie, gibt ihrem Tagesablauf wieder Strukturen, holt sie aus ihrer Einsamkeit heraus und gibt ihrem Leben wieder einen Sinn. Sie können ihre reiche Lebenserfahrung weitergeben und sich unter ihresgleichen austauschen.

Wir sind von der Wirksamkeit dieses Projekts überzeugt. Und wenn es grössere Kreise ziehen sollte, würden wir uns richtig freuen. Deshalb wollen wir den Aufbau der Strukturen und die Einführungsphase unterstützen. Damit sie möglichst bald starten können.

Spendenvermerk: Pro Senectute auf ägyptisch

Port Said – unterwegs in den Armenvierteln

Die Hafenstadt Port Said hat rund 650000 Einwohner. Der Suez-Kanal als eine der wichtigsten Handelsrouten ist bedeutend für die Wirtschaft Ägyptens. Der Hafen als Warenumschlagplatz gibt Arbeit und Einkommen. Mit der weltweiten Wirtschaftskrise und dem Aufstand in Libyen mussten viele bislang im Ausland arbeitenden Ägypterinnen und Ägypter in ihre Heimat zurückkehren. Auch zweieinhalb Jahre nach der Revolution leiden Wirtschaft und Tourismus stark unter der nach wie vor instabilen Lage.

In den Armenvierteln der Stadt leben über 10000 Menschen. Eine durchschnittliche Familie hat 3 bis 5 Kinder. Viele Männer finden nur als Tagelöhner Arbeit, und zahlreiche Familien versuchen mit weniger als 200 LE pro Monat, rund 26.50 Franken, zu überleben.

Fast 70 Prozent können weder lesen noch schreiben. Im Landesdurchschnitt sind es 53,1 Prozent der Frauen und 31,7 Prozent der Männer. Das Leben in diesen Gegenden ist vor allem für Familien mit Kleinkindern extrem schwierig. Es gibt keine sanitären Anlagen und kaum sauberes Trinkwasser. Mit der Revolution wurden „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“ gefordert. Die Koptisch-orthodoxe Kirche engagiert sich seit Jahren für die Armen. Doch was kann sie gegen den jährlichen Bevölkerungswachstum von 1,78 Prozent, das heisst eine Million Menschen in 8,6 Monaten, ausrichten?

Neben den Schwerpunkten Alphabetisierung und Mikrokredite sollen vor allem Frauen gefördert und die medizinische Grundversorgung verbessert werden. Dank mobilen Kliniken und Gesundheitszentren gelangt diese vermehrt auch in die Armenviertel. Mit der Beratung junger Frauen und Mütter soll ihre Gesundheit und die ihrer Kinder verbessert werden.

Sensibilisierungskampagnen und Beratungen werden von Fachleuten, Gesundheitschecks und Impfungen von Ärzten durchgeführt, alle als Freiwillige. In zwei Armenvierteln sollen alle Kinder eine Basisimpfung erhalten. Dazu brauchen sie auch unsere Unterstützung. Wir danken Ihnen dafür ganz herzlich.

Spendenvermerk: Basisimpfung für Port Said

El Minia: Behinderten Menschen eine Chance geben

Farhan Fares ist 25 Jahre alt. Er wurde als gesundes Kind in einem kleinen Dorf im ägyptischen El Minia geboren. Im Alter von drei Jahren veränderte eine Polio-Erkrankung sein Leben und das seiner Familie. Er konnte sich fortan nicht mehr bewegen.

Von der Aussenwelt isoliert, als zweitklassiges Kind von der Gesellschaft an den Rand geschoben, erlebte Farhan seine Kindheit als Aussenseiter. Er konnte nicht wie seine Geschwister zur Schule gehen und nicht an den Aktivitäten der Gemeinschaft teilnehmen. Er fühlte sich nutzlos und als Last für seine Familie. Während drei Jahren verliess er die Wohnung nicht, bis eine Delegation der JBA (Jesuit and Brothers Association) in seinem Dorf Familien mit Behinderten besuchte. Von diesem Tag an veränderte sich alles.

Die JBA, die sich für die medizinischen Anliegen, Ausbildung, berufliche und gesellschaftliche Eingliederung von Behinderten einsetzt, nahm sich Farhans Schicksal an. Die JBA finanzierte ihm eine Operation an den Füssen, welche es ihm ermöglichte, sich mit künstlichen Gelenken fortzubewegen. Mit 14 kam Farhan in ein spezielles Heim für behinderte Menschen. Dort lernte er lesen und schreiben sowie seine Gefühle, seine Meinungen und Gedanken auszudrücken. In dieser Zeit reifte er und lernte, mit anderen Menschen umzugehen. Der Aufenthalt dauerte zwei Jahre. Hier erlernte er auch den Beruf des Schneiders. Das ganze Dorf kennt und schätzt ihn und seine exakte Arbeitsweise. Seit ein paar Jahren ist er auch Mitglied im Support-Team der JBA und hilft der Organisation bei der Ausbildung und Eingliederung von andern körperlich oder geistig behinderten Menschen. Ein ganz wichtiger Grundsatz der JBA heisst: „Behinderte unterstützen Behinderte“.

Ich hatte die Chance, zwei Mitglieder der JBA in Luzern zu treffen. Sie stellten ihre verschiedenen Aktivitäten im Sozial- und Bildungsbereich transparent vor, auch ihre Arbeiten und Erfolge mit Behinderten. So haben sie schon vielen Menschen wie Farhan das Führen eines würdigen und selbstständigen Lebens ermöglicht.

Spendenvermerk: Behindert aber selbstständig

Den Aufbau mit unterstützen

Die eindrücklichen Bilder vom Tahrir-Platz in Kairo werden wir alle nicht so schnell vergessen. Kurz war die ägyptische Revolution, intensiv und wirksam. Gemeinsam harrten Tausende von Männern und Frauen unterschiedlicher Herkunft und Religion auf zahlreichen Plätzen im ganzen Land aus, zeigten unerschrocken ihren Unmut mit den Herrschenden und formulierten ihren Wunsch nach Veränderungen.

Regierung geht Probleme an

Die Regierung geht die Probleme an; sie wollen das Bildungs- und das Gesundheitswesen verbessern, den öffentlichen Verkehr ausbauen, Arbeitsplätze schaffen, sie hat die Mindestlöhne angehoben – noch gibt es unzählige Aufgaben zu lösen.

Unverändert schwierige Lebensbedingungen

Doch die Lebensbedingungen sind unverändert schwierig. Arbeitslosigkeit, tiefe Löhne, hohe Lebensmittelpreise und enorme Gesundheitskosten. Dazu kommen die zahlreichen Rückkehrer aus Libyen, die nun ihre Familien nicht mehr ernähren können. Unsere ägyptischen Projektpartner kennen diese Situationen. Der Vorstand hat deshalb eine Soforthilfe von CHF 20 000 für Ägypten beschlossen.

Schwerpunkte in Port Said und El Minia

In Port Said und El Minia liegt der Schwerpunkt in der Hilfe zur Selbsthilfe. Die Menschen erhalten mittels Mikrokrediten die Möglichkeit, eine selbstständige berufliche Existenz aufzubauen, Berufsausbildungen sollen gefördert und die Selbstversorgung in den Dörfern ausgebaut werden.

Liebe Spenderinnen und Spender, bitte helfen Sie mit, das alltägliche Leben der ägyptischen Bevölkerung dauerhaft zu verbessern und ihr eine Zukunft zu geben.

El Minia: Ambulatorien für Mittelägypten

Entlang des Nils, fern ab grosser Städte, erstreckt sich eine grüne, blühende Landschaft. Gelegentlich sieht man Dörfer,in denen man sich kurz in eine andere Zeit versetzt fühlt.

Die Menschen leben von der Landwirtschaft und halten viele Tiere. Fahrzeuge sieht man fast keine, der Esel dient als Transportmittel. Hier kann man sehr gut verstehen, weshalb der Nil ein derart grosses Geschenk für Ägypten ist. Entfernt man sich ein paar Kilometer vom Nil, weicht das üppige Grün einer kargen und steinigen Landschaft.

Mit dem koptisch-katholischen Bischof von Minia, Mgr. Ibrahim Sedrak besuchten wir einige Dörfer entlang des Nils. Die Menschen in Mittelägypten sind arm. Bischof Ibrahim und seine Priester nehmen die Situation in den Dörfern ernst, denn es fehlt an allem. Die Kirche und ihr Umfeld sind sehr wichtig für die Einwohner, denn hier finden sie neben dem seelischen Halt tatkräftige Hilfe, sei es durch Bildung, Beschäftigung oder Kleinkredite. Die Pfarrei von Beni Suad besteht aus einer improvisierten Kirche, einem Pfarreizentrum, das noch im Aufbau ist und einem Kinderspielplatz. Die Räume des Pfarreizentrums werden zum Teil als Schulzimmer benutzt, draussen sitzen die Mütter zusammen und beschäftigen sich mit Handarbeiten.

Bischof Ibrahim zeigt uns einen Raum, den er schon lange einrichten möchte, und bringt uns ein grosses Problem näher: die medizinische Versorgung. In Beni Suad, genau wie in anderen Dörfern, hat es kaum Ärzte und keine Räume, in denen sie praktizieren können. Mit geringen finanziellen Mitteln liessen sich Ambulatorien einrichten, welche die medizinische Versorgung in den Dörfern sichern. Bischof Ibrahim rechnet für die Einrichtung mit Kosten von ca. 15 300 Ägyptischen Pfund oder 3000 Franken. Die Sozialabteilung des Bistums Minia sichert den Ärzten, die in diesen Ambulatorien arbeiten wollen, ein Honorar zu. Der SHLV möchte in Beni Suad und vier weiteren Dörfern Ambulatorien ausstatten, womit eine minimale medizinische Versorgung gewährleistet werden kann.

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