Wir engagieren uns für Frauen in libanesischen Gefängnissen
Die sozio-ökonomische und politische Lage im Libanon ist äusserst angespannt. Mit mehr als einer Million syrischer Flüchtlinge bei knapp sieben Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern leidet das Land extrem unter den Auswirkungen des Syrienkonflikts. Die Folge ist eine Zunahme von Armut, Arbeitslosigkeit, Gewalt, Kriminalität, Drogenmissbrauch, Prostitution sowie der Ausbeutung von Kindern
und Frauen. Robert Caracache, Direktor von Beit-el-Nour, berichtet.
Das Hilfswerk Beit-el-Nour – arabisch: Haus des Lichtes und der Hoffnung – engagiert sich in drei Tageszentren für die Prävention und den Schutz von gefährdeten Jugendlichen und palästinensischen und syrischen Flüchtlingskindern, die verschiedenen Formen von Gewalt ausgesetzt sind. Ein besonderer Schwerpunkt unserer Arbeit ist der Einsatz für Hunderte von Mädchen und Frauen, die Opfer sexueller Ausbeutung sind, und von Frauen, die in den drei Frauengefängnissen im Libanon inhaftiert sind. Auf dieses Engagement möchte ich hier näher eingehen.
Grundlegende Lebenskompetenzen vermitteln
Unser Team ist multidisziplinär und unterstützt und fördert die inhaftierten Frauen während der Untersuchungs- und Haftzeit und begleitet sie nach der Entlassung bei der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Unsere Hauptaktivitäten in den Frauengefängnissen sind Alphabetisierung, Berufsbildung, psychosoziale Betreuung, Gesundheitsfürsorge, Rechtshilfe, Empowerment, Persönlichkeitsschulung sowie die Organisation von Freizeitaktivitäten. Beit-el-Nour organisiert Workshops, in denen die Frauen grundlegende Lebenskompetenzen erlangen können wie Sozialkompetenz, die Fähigkeit, sinnvolle Entscheidungen zu treffen oder Probleme zu lösen oder die Fähigkeit, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und Verantwortung für sich und die Familie wahrzunehmen. Unser Team organisiert Aufklärungskampagnen über die Einhaltung von Hygieneregeln, bietet freiwillige HIV-Tests an und schult die Insassinnen zu diesen Themen. Wir fördern das Bewusstsein für die Einhaltung von Menschenrechten in Ausbildungskursen.
Aufseherinnen für die Einhaltung von Menschenrechten sensibilisieren
Ein spezieller Kurs richtet sich an die Aufseherinnen in den Frauengefängnissen und erfolgt in Abstimmung mit der Leitung, die für die innere Sicherheit zuständig ist. Wir tauschen uns über die Eignung der Aufseherinnen aus, die in den Frauengefängnissen unter schwierigen Bedingungen arbeiten, und fördern ihr Bewusstsein für die Einhaltung von Mindeststandards im mitmenschlichen Umgang in Übereinstimmung mit der internationalen Menschenrechtskonvention. Eine stete Weiterbildung und Sensibilisierung der Aufseherinnen im Umgang mit den Insassinnen sind ebenso wichtig wie eine aufmerksame Begleitung von unserer Seite.
Frauen auch nach ihrer Entlassung unterstützen
Es wurde eine Fokusgruppe mit Häftlingen gegründet, die Opfer von Prostitution wurden, um ihre Ansichten über das aktuelle, libanesische Prostitutionsgesetz zu erfahren; diese sollen in das Rechtspapier einfliessen, das Beit-el-Nour gemeinsam mit anderen NGOs erarbeitet. Für die aus der Haft entlassenen Frauen und Mädchen haben wir in unserem Tageszentrum in Sin-el-Fill, einem Vorort von Beirut, ein spezielles Angebot eingerichtet. Dort stellt unser Team für die Frauen die notwendigen Dienstleistungen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft sicher. Sie finden im Sin-el-Fill-Zentrum einen Ort, an dem sie bei der Lösung von allen wichtigen Problemen unterstützt werden und sie treffen auf andere Frauen in derselben Situation, um ihre Erfahrungen auszutauschen und ihre Gefühle und Gedanken auszudrücken.
Drei konkrete Geschichten von Frauen, die Hilfe im Projekt Beit-el-Nour fanden
- Die Geschichte von Rim
Die Sozialarbeiterin im Frauengefängnis in Tripolis erzählt von Rim, einer 23-jährigen aus Syrien geflüchteten Insassin. Rim war ein Einzelkind und floh nach dem Tod ihrer Eltern im Krieg in den Libanon. Hier suchte sie nach Arbeit, fiel aber bald in die Fänge der Mafia, durch die sie in die Prostitution geriet. Sie wurde schwanger und brachte ein Mädchen zur Welt. Bei ihrer Verhaftung war dieses Kind eineinhalb Jahre alt.
Bei Haftantritt musste sie ihr kleines Mädchen einer Organisation anvertrauen. Doch diese gaben ihr Kind ohne das Einverständnis der Mutter und somit illegal zur Adoption frei.
Die Sozialarbeiterin, die sie während ihrer Haftzeit begleitete, entdeckte, was geschehen war. Rim ist zutiefst verzweifelt, hoffte sie doch, ihre Tochter spätestens nach der Haftentlassung wiederzusehen. Rim erhielt Unterstützung bei der Einreichung einer Klage, der Fall liegt nun beim Jugendrichter. Wir hoffen, dass das kleine Mädchen zu seiner Mutter zurückkehren wird, sobald sie rehabilitiert und aus dem Gefängnis entlassen ist.
- Die Geschichte von Marie
Marie stammt aus Syrien, ist 23 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Ihr Mann wurde kürzlich von einem Schrapnell getroffen. Seither ist er behindert und kann nicht mehr arbeiten. Um ihre Familie ernähren zu können, beschloss Marie, auf der Suche nach Arbeit in den Libanon zu kommen und ihre beiden Kinder bei ihren Grosseltern zu lassen. Unglücklicherweise geriet sie an einen illegalen Prostitutionsring, der sie in einem «Luxushotel» in Beirut einsperrte und zur Prostitution zwang. Sie wurde bei einer Razzia der Sittenpolizei befreit und befindet sich nun im Frauengefängnis von Tripolis, wo sie auf einen Prozess wartet, der ihre Unschuld beweisen muss.
Marie wird derzeit von unserer Psychologin betreut, denn sie ist durch das Erlittene stark traumatisiert. Wir hoffen, dass die Wunden dieser jungen Frau heilen und dass sie nach ihrer Entlassung eine angemessene und anständige Arbeit finden kann.
- Die Geschichte von Mira
Unsere Sozialarbeiterin im Frauengefängnis in Tripolis, hat von Mira, einer anderen jungen Frau, erzählt, die 26 Jahre alt ist und vor etwa 9 Monaten verhaftet wurde. Mira ist allein stehend und lebte mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester zusammen.
Mira leidet an einer angeborenen Missbildung, einem Riss an ihrer Oberlippe. Diese Missbildung führt zu Schwierigkeiten beim Sprechen. Mira hat wegen dieser Behinderung immer mehr Selbstvertrauen verloren und Hass gegen sich selber entwickelt. Dies hat sie dazu getrieben, zunehmend in den Konsum von Drogen zu flüchten. Deswegen wurde sie verhaftet.
Im Gefängnis wird sie sowohl von einem Psychologen und einer Sozialarbeiterin von Beit-el-Nour betreut, die sich auch auf juristischer Ebene bemühen, damit Mira möglichst schnell aus dem Gefängnis entlassen wird. Wir hoffen, dass wir ihr nach ihrer Entlassung aus dem Gefängnis helfen können, sich einer Operation zur Behebung der Missbildung zu unterziehen, die ihr helfen kann, sich selbst zu akzeptieren.
Robert Caracache, Beirut Vermerk für Ihre Spende:
Beit-el-Nour – Frauen.