Psychosoziale Beratungsdienste im Gazastreifen
Vom Krieg traumatisierte Kinder stärken
Die Lebenssituation im Gazastreifen ist katastrophal. Das Gebiet ist seit Jahren abgeriegelt und leidet unter einer anhaltenden Wirtschaftskrise. Die israelischen Luftschläge im Mai, wo zahlreiche Wohngebäude ganz oder teilweise zerstört wurden, haben die Situation weiter verschärft. Die Schäden, welche der Krieg 2014 und die elf Kriegstage im Mai 2021 angerichtet haben, sind aber nicht nur materieller Natur. Viele Menschen leiden unter psychischen Erkrankungen. 22 Prozent der Menschen im Gazastreifen benötigen psychosoziale Hilfe. Darunter befinden sich fast 300 000 Kinder. Joseph Hazboun erzählt, wie das Päpstliche Missionswerk (Pontifical Mission) in Jerusalem diesen Kindern beisteht.
Die psychosoziale Notlage in Gaza spitzt sich zu. Humanitären Berichten der UN-Gesundheitsdienste zufolge erzählen Kinder von einer Vielzahl von emotionalen Problemen. Schülerinnen und Schüler sprechen von einem ständigen Gefühl der Angst und Hilflosigkeit oder leiden unter Lernschwierigkeiten. Fehlende Zukunftschancen verstärken das Gefühl des Verlorenseins. Die Traumata und die anhaltenden Angstzustände führen zu verschiedenen seelischen Erkrankungen.
Deswegen haben Partnerorganisationen von uns Beratungs- und Therapiestellen an mehreren Orten im Gazastreifen eingerichtet. Die Organisation AISHA etwa bietet diverse Formen von Einzel- und Gruppentherapien für Kinder im Zentrum von Gaza-Stadt an. Die Leistungen umfassen Unterstützungssitzungen, Medikamente und weitere medizinische Hilfsmittel sowie Workshops zur Psychoedukation. Ausserdem versorgt AISHA Schulen mit Spielzeugsäcken und organisiert kostenlose Freizeitausflüge in Parks in ganz Gaza.
Die NECC-Mutter-Kind-Klinik, ein anderer Partner von uns, bietet kostenlose, spezialisierte, psychosoziale Beratungen für Kinder in drei Zentren im Gazastreifen an. Den NECC-Beraterinnen zufolge leiden zahlreiche Kinder unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTBS) und erleben dabei Gefühle der Angst und Schutzlosigkeit. Die Mitarbeitenden von NECC sind psychologisch geschult und wenden in ihren Einzel- und Gruppensitzungen Problemlösungsansätze gemäss den Standards der WHO und des palästinensischen Gesundheitsministeriums an. Eine kognitive Verhaltenstherapie ermöglicht den Kindern, ihre unterdrückten Gefühle in Zeichnungen, Geschichten oder Spielen auszudrücken. Wird ein psychisches Problem festgestellt, werden die Kinder in einer Reihe von Einzeltherapiesitzungen weiterbehandelt. NECC führt in bestimmten Fällen auch Hausbesuche durch, um Kinder und ihre Familien, die ihre Termine nicht wahrnehmen, daheim zu unterstützen. Bei schweren Fällen erfolgt eine Überweisung in spezialisierte Einrichtungen.
Wir danken dem Schweizerischen Heiligland-Verein für seine Unterstützung, die uns ermöglicht, unsere Partner im Gazastreifen zu stärken, damit diese den Schwächsten in der Gesellschaft, den vom Krieg traumatisierten Kindern, beistehen können.
Joseph Hazboun, Jerusalem
Statements von Betroffenen
Das Gesundheitszentrum AISHA unterstützt einen 13-jährigen Jungen in Gaza-Stadt, der unter einer PTBS leidet. Seine Mutter erzählt: «Mein Sohn hat sehr viel Angst und kann nachts nicht schlafen. Er wacht mit schrecklichen Albträumen auf. Dank psychologischer Hilfe geht es ihm nun besser. Sein Selbstvertrauen kehrt zurück und er kann wieder die Schule besuchen.»
Die Mutter eines sechsjährigen Mädchens aus Rafah berichtet: «Meine Tochter leidet seit dem Krieg im Mai unter Bettnässen und Angstzuständen. Die Beraterin von NECC gab mir Ratschläge, wie ich mein Kind unterstützen kann. Etwa wenn ich meine Tochter ermutige zu zeichnen, damit sie ihre Gefühle ausdrückt, oder indem ich ihr gutes Verhalten lobe. Seither geht es ihr besser.»
Die Mutter des vierjährigen Sajed aus Rafah erzählt: «Seit den Angriffen im Mai leidet mein Sohn unter starken Angstzuständen. Er ist im Kindergarten völlig apathisch und isoliert. Die Beraterin von NECC gab mir Tipps, wie ich mich zu Hause verhalten kann, und sie besuchte Sajed mehrmals im Kindergarten, wo sie mit ihm arbeitete. Er durfte sogar einige Aktivitäten dort anleiten, was sein Selbstvertrauen und sein Selbstwertgefühl stärkte. Sein Verhalten hat sich seither enorm verbessert.»