Begegnung mit Sumaya Farhat-Naser «Wir müssen an der Hoffnung festhalten»
Im April weilte die palästinensische Christin und Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser in der Schweiz. In Schaffhausen nahm sie sich Zeit für eine Begegnung mit Mitarbeitenden und freiwillig Engagierten der katholischen und der reformierten Kirche. Ein persönlicher Rückblick von Vorstandsmitglied Boris Schlüssel.
Kennengelernt habe ich Sumaya Farhat-Naser vor dreissig Jahren in Jerusalem, sie kam ins Theologische Studienjahr an der Dormitio-Abtei und erzählte uns aus erster Hand über die dramatische Lebenssituation der Menschen in den «besetzten Gebieten». Während der ersten «Intifada» waren alle Schulen mehrere Jahre geschlossen – auch die Birseit-Universität, an der die Naturwissenschaftlerin lehrte. Der Studienbetrieb wurde im Geheimen in Privathäusern fortgesetzt, immer wieder schlich sich die Professorin mit ihren Studierenden nachts ins Labor auf dem Uni-Gelände. Wir Studierenden der Dormitio waren erschüttert über den Bericht von Sumaya Farhat-Naser und tief beeindruckt vom Mut und vom Engagement der zierlichen Frau aus der «Westbank».
Unser Kontakt ist in der Zwischenzeit nie ganz abgebrochen, immer wieder habe ich Sumaya eingeladen, um Pilgergruppen über das Leben im besetzten Palästina zu berichten. Stets hat sie auch von den verschiedenen Friedensinitiativen und Friedensprojekten erzählt, die sie in Palästina vor allem für Frauen und Jugendliche organisiert hat. Ihre langjährigen Freundschaften und Kontakte zu Friedensprojekten in Israel wurden in den letzten Jahren systematisch unterbunden.
Nun hat sich die Gelegenheit für eine Begegnung mit kirchlichen Mitarbeitenden und freiwillig Engagierten aus dem Kanton Schaffhausen ergeben. Und wieder waren die fast fünfzig Gäste tief beeindruckt vom «Zeugnis» der Friedensaktivistin aus Palästina. Ihr nüchterner Bericht über das alltägliche Überleben der Menschen in den palästinensischen Gebieten – vor und nach den Massakern
vom 7. Oktober in Israel – hat alle erschüttert. Der offene Austausch zwischen Sumaya und dem Publikum hat eindrücklich gezeigt, wie schwierig ein Gespräch über den «Nahost-Konflikt» und den «Gaza-Krieg» derzeit ist. Umso wichtiger sind solche Gelegenheiten zur direkten, persönlichen Begegnung.
Auf die Frage aus dem Publikum, ob sie unter den «aktuellen Umständen» noch Hoffnung auf eine «Friedenslösung» für Palästina und Israel habe, sagte Sumaya Farhat-Naser ohne Zögern: «Ja, wir müssen an der Hoffnung festhalten, das sind wir unseren Kindern schuldig.» Dass die 75-jährige Mutter und Grossmutter aus Birseit auch nach einem ganzen Leben voller Unrecht und Gewalt, voller «Hoffnungsmomente», schwerer Enttäuschungen und Rückschläge noch immer – wie damals bei unserer ersten Begegnung 1991 – an dieser Hoffnung auf Gerechtigkeit und Frieden festhält, hat mich tief berührt und herausgefordert: Wie könnte ich, wie könnten wir in Europa, im Westen diese Hoffnung für unsere Geschwister in Palästina und Israel aufgeben!
Boris Schlüssel
Am Rande der Veranstaltung hat sich Sumaya Farhat-Naser zum Engagement des Schweizerischen Heiligland-Vereins geäussert: «Diese Unterstützung von Schulen und Hochschulen und die Begleitung der Menschen über viele Jahre in Palästina ist eine wichtige Stütze, die jungen Menschen Bildung und Ausbildung ermöglicht. Arbeitsbeschaffung und Verbesserung der Lebenssituation bahnen den Weg für eine bessere Zukunft. Das gibt Freude und Hoffnung. Das Dasein solcher Institutionen schafft Vertrauen, gibt Schutz und Raum für einen lebendigen Austausch von Gedanken und Meinungen und schenkt Hoffnung. Vereint im Glauben und basierend auf den gemeinsamen Idealen und Werten der drei abrahamitischen Religionen, ist ein Leben in Würde und Sicherheit möglich. Bildung zum Frieden und Wahrung der Menschlichkeit sind oberste Ziele, die als Vorbild ausstrahlen und auf die Gesellschaft positiv wirken.»
Sumaya Farhat-Naser